Über Tausende von Jahren war es die unausgesprochene Grundannahme der Mathematik, dass sich jede mathematische Aussage entweder beweisen oder widerlegen lässt. 1931 wurde dieser Traum durch Kurt Gödel zu Grabe getragen. Der junge Mathematiker hatte entdeckt, dass der Begriff der Wahrheit und der Begriff der Beweisbarkeit nicht in Einklang gebracht werden können; in jedem hinreichend ausdrucksstarken formalen System existieren Aussagen, die sich innerhalb des Systems weder beweisen noch widerlegen lassen.
Die Gödel'sche Arbeit hat unsere Sichtweise auf die Mathematik von Grund auf verändert. Sie ist ein Juwel unseres kulturellen Erbes und befindet sich auf der gleichen Stufe wie die Einstein'sche Arbeit zur Begründung der Relativitätstheorie oder die Heisenberg'sche Arbeit über die Unschärferelation. Alle drei Arbeiten definieren Grenzen, die wir nicht überwinden können.
Seit ihrer Entdeckung haben sich viele Autoren mit den Gödel'schen Unvollständigkeitssätzen beschäftigt und deren mathematische und philosophische Facetten in ganz unterschiedlicher Weise beleuchtet. Ich selbst las das erste Mal in Douglas Hofstadters berühmtem Werk
In den mehr als zwanzig Jahren, die seitdem vergangen sind, konnte ich mich gedanklich nicht von den Unvollständigkeitssätzen lösen, und so sind schließlich zwei Bücher entstanden. Das eine ist das Werk, das von mir so lange vermisst wurde und jetzt vor Ihnen liegt; es ist mein ganz persönlicher Versuch, die Lücke zu füllen, die ich eben beschrieb. Das andere Buch heißt
In den folgenden Kapiteln werden Sie einen vollständigen Abdruck der Gödel'schen Originalarbeit vorfinden, unterteilt in kommentierte Abschnitte. Die Originalpassagen sind auf einem grauen Hintergrund gedruckt, um sie optisch vom Rest des Textes zu trennen; ansonsten wurde das Layout der Originalarbeit weitgehend belassen. Eine Besonderheit betrifft die Fußnoten, die in Gödels Arbeit zahlreich vorhanden sind. Um den Lesefluss nicht zu zerstören, tauchen sie hier am das Ende des Textfragments auf, in dem sie referenziert werden.
Karlsruhe, im Juni 2012
Dirk W. Hoffmann